Zum Thema : Inklusion

 

"Die einen reden davon, die anderen schwimmen davon." von unserer Warmduscherin Claudia, Maichingen 2015 
 
Hier findet Ihr unseren Ansatz und unsere Überzeugung zum Thema Inklusion. Die folgenden Zeilen hat Sven im Januar 2016 geschrieben. Sven ist querschnittsgelähmt und eines von 6 Gründungsmitgliedern des Teams Warmduscher.

 

"Wer möchte heute schon normal sein ?" Wir suchen täglich das Außergewöhnliche und das Besondere, nutzen den Reiz des Neuen und besuchen ein Event. Uns Warmduschern haben es gerade die 24h Schwimmen besonders angetan. Kaum jemand meines Freundeskreises kannte 2009 die Regeln oder gar den Sinn eines 24h Schwimmens. Heute bezeichnen wir uns mit viel Ironie und Stolz als Warmduscher, die eine besondere Leidenschaft des Langstreckenschwimmens ohne Zeitdruck teilen. Manch einer von uns sagt selbt, dass wir einen "Knall" haben und jeder, der einmal selbst an einem 24h Schwimmen mit uns teilgenommen hat, wird dies bestätigen können. Diese Leidenschaft verbindet uns alle, soll aber in diesen Zeilen nicht allein im Vordergrund stehen.

 

Wir leben einen besonderen Ansatz der Inklusion in unserem Team. Bei einem 24h Schwimmen spielt weder die Hautfarbe noch die Religion, weder das Alter noch die körperliche Unversehrtheit eine besondere Rolle. Wenngleich wir bis zu unseren persönlichen Grenzen schwimmen und unseren Körpern alles abverlangen, das 24h Schwimmen eher als Leistungssport und nicht nur als eine Breitensportveranstaltung ansehen, verbindet diese Art des Sports viele Bevölkerungsgruppen, die sonst nicht miteinander Sport treiben können. 

 

Als soziologischer Begriff beschreibt das Konzept der Inklusion eine Gesellschaft, in der jeder Mensch akzeptiert wird und gleichberechtigt und selbstbestimmt an dieser teilhaben kann – unabhängig von Geschlecht, Alter oder Herkunft, von Religionszugehörigkeit oder Bildung, von eventuellen Behinderungen oder sonstigen individuellen Merkmalen.

 

Nach UN-Konvention ist die gesellschaftliche Teilhabe ein Menschenrecht, das ohne Einschränkungen auch für behinderte Menschen gilt. Die UN-Konvention erfasst sämtliche Lebensbereiche, von der Arbeit über Bildung, Gesundheit und Pflege, persönliche Mobilität bis hin zur politischen Teilhabe. Zentraler Leitgedanke bei der Umsetzung der Konvention ist das Prinzip der Inklusion, wonach Menschen mit Behinderungen von Anfang an und in allen Lebensbereichen an der Gesellschaft teilhaben sollen. Hierzu gehört für uns auch der Schwimmsport und das "warme Duschen".

 

So haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, ohne große Vorurteile und mit etwas Witz und Charme ein Team zu formen, das den Ansatz der Inklusion verfolgt und ebenso die Werte des Sports verkörpert. Während Thomas Lurz oder Michael Phelps mit behinderten Kindern fast etwas mitleidig schwimmen üben, (kurzer Einwurf: Wir lieben diese vorbildlichen Bemühungen von Spitzensportlern und unterstützen diese auch - Thomas und Michael ihr seid spitze !) wollen wir im Team Warmduscher noch einen Schritt weitergehen und Wettkampfsport und aktive Trainings mit dem Hintergrund Inklusion ausüben. Und wenn wir auch nicht ausdrücklich danach suchen, erfahren wir viel Zuspruch von Menschen, die sagen: "können wir das denn auch ?" oder
"ich will !" und "ich kann das !" 

Folgende Menschengruppen haben bereits bei uns einen Platz gefunden:

 

schwimmende Senioren, Frauen, Männer, Jugendliche, Kinder

Senioren und Kinder in einer Mannschaft ? Frauen und Männer in einer Wertung ? Geht das denn ? Ist das sportlich fair ? Ja, es geht. Gerade in der Mannschaftswertung zählt jeder Kilometer. Und wenn bei einer großen Veranstaltungen 10 Personen gesucht werden, die ein Team bilden, sind wir sehr froh, wenn wir auch Senioren, Kinder und behinderte Menschen dabei haben. Manchmal macht der vermeidlich schwächste Schwimmer den Unterschied zu anderen Teams aus und die Freude am Ende über einen Podiumsplatz ist besonders groß. Außerdem steigt die Freude und der Spaßfaktor je mehr ein Team formen und mit Leben füllen.
Innerhalb der Einzelwertung wird meist nach Geschlechtern getrennt und auch die Senioren und Jugendlichen erhalten eine eigene Wertung. Je größer und besser eine Veranstaltung besucht ist, gibt es auch Altersklassenwertungen. In der Mannschafstwertung wird hingegen nicht nach Alter oder Geschlecht differenziert.

 

Schwimmende Ausländer, Inländer, Christen, Moslems, Religionslose

Diese Unterscheidung spielt zum Glück in keiner Sportart eine Rolle, außer wenn durch Sponsoren gewisse Ideologien oder Überzeugungen in das Logo des Vereins Einzug halten oder nur eine begrenzte Anzahl von Ausländern in einem Team sein dürfen. Beispiele hierfür sind vielleicht Real Madrid oder RasenBallsport Leipzig. Bei uns Warmduschern spielt nur die Wassertemperatur eine Rolle, nicht jedoch die Religion oder Staatsangehörigkeit. Wir sind stolz auf unseren Deutsch-Türken Hamza und akzeptieren auch Franken, wie Mirjam, oder Oberpfälzer, wie Jürgen, in unserer Mannschaft. Außerdem unterstützen wir die Freundschaft zwischen Baden und Württemberg.

 

schwimmende Brillenträger und Sehbehinderte

Diese Behinderungsart wird oft vergessen, weil sie heute in unserer Gesellschaft sehr leicht kompensiert und modisch geschmückt werden kann. Im Wasser und gerade beim Duschen ist das jedoch eine große Schwierigkeit. Einige von uns tragen Brille oder Kontaktlinsen und laufen als blinde Hühner durch die Schwimmhalle. Und auch im Wasser erkennen wir immer wieder Blinde, die bei der Wende in andere Schwimmer hineinschwimmen. Diesen Menschen helfen wir dann gerne, mit mehr oder weniger Geduld, den Weg zum störungsfreien Schwimmen und in die Dusche zu finden.

 

Schwimmer mit MS

MS steht für Multiple Sklerose. Wir erstellen keine Diagnose, beschreiben nicht alle Symptome oder Heilungschancen, aber wollen etwas aufklären. MS, auch als Encephalomyelitis disseminata (ED) bezeichnet, ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung, bei der die Myelinscheiden (elektrisch isolierende äußere Schicht der Nervenfasern) im zentralen Nervensystems angegriffen sind. Die Krankheit ist nicht heilbar, jedoch kann der Verlauf durch verschiedene Maßnahmen oft günstig beeinflusst werden. Auch viele Jahre nach Beginn der Erkrankung bleibt die Mehrzahl der Patienten noch geh- und schwimmfähig. 

 

Schwimmer mit EDS

Beim Ehlers-Danlos-Syndrom (EDS) handelt es sich um eine angeborene, seltene und erbliche Bindegewebserkrankung, bei der eine Störung der Kollagenbiosynthese (Stoffwechselstörung) vorliegt. Es fehlt den betroffenen Menschen ein bestimmtes Eiweiß, ein Aufbaustoff-Klebestoff des Kollagens. Die Symptome sind vielfältig, es können überbewegliche Gelenke oder Reißen innerer Organe auftreten.

 Schwimmen können sie dennoch mehr als gut.

 

Schwimmer mit CF

Die Cystische Fibrose, auch Mukoviszidose genannt, ist die häufigste angeborene Stoffwechselkrankheit weisser Menschen. Jeder 20.Mensch ist gesunder Träger des CF-Gens. Insbesondere Lunge und Bauchspeicheldrüse sind davon betroffen. Wegen Ihrer Symptome wird die Mukoviszidose häufig mit chronischer Bronchitis, Asthma oder Keuchhusten verwechselt. Die mono-genetische Erbkrankheit ist fortschreitend und bislang nicht heilbar; ca. 80 % der Betroffenen werden heute dank verbesserter Therapien, guter Behandlungsmöglichkeiten und eiserner Therapiedisziplin erwachsen. Der Husten bei der Mukoviszidose ist nicht ansteckend. Mukoviszidose erwirbt man nur durch Vererbung. Befürchtungen, Freunde oder Mitschwimmer könnten angesteckt werden, sind unbegründet.
Besonders das Lungenvolumen und die kalorienreiche Ernährung sind aber für das Ausdauer-Schwimmer sehr wichtig, deswegen passen wir auf unsere CF-Schwimmerin besonders auf.

 

Schwimmer mit Körperbehinderung

Körperbehinderungen gibt es unzählige. Sie behindern mal mehr und mal weniger beim Schwimmen. Wenige Ausdauerschwimmer haben einen aktiven Beinschlag, aber wenn man mit seinen Beinen aktiv die Lage halten kann und weniger kippt, ist das schon ein gewisser Vorteil. Melina und ich (Sven) sind zwei Körperbehinderte in unserem Team. Wir haben uns 2015 in Neunburg vorm Wald kennengelernt und ich habe der kleinen 12-Jährigen dort die Behinderten-Wertung "weg" genommen, aber am Ende gerne den Behinderten-Pokal überlassen. Melina ist ihre 15,15 km dort ganz ohne Hilfsmittel geschwommen, ich durfte bei meinen 26 km hingegen meinen Pullbuoy benutzen, ein Hilfsmittel, das meine beiden Beine an der Wasseroberfläche hält und mit dem ich seit 25 Jahren schwimme. Wie das Beispiel zeigt, ist es schwierig abzuwägen, was man zulässt und wie man vergleicht, und so gibt es im Behindertenleistungssport auch unzählige Klassen und unzählige Paralympic-Sieger in den jeweiligen Schwimmdisziplinen. Im Team Warmduscher sind behinderte Schwimmer gern gesehen in der Mannschaftswertung, da die Behinderung keine "übermäßige" und "außergewöhnliche" Einzelleistung darstellt (weder Melina noch ich werden 50 km in 24h schwimmen können), aber jeder Kilometer für das Team von unschätzbarem Wert sein kann. Gäbe es einen Versuch mit Umrechnungsfaktoren die Leistung vergleichbar zu machen, würden wir die Leistung von Körperbehinderten z.B. mit 1,1 bis 2,0 multiplizieren. Bei mir wäre es vielleicht ein Faktor von 1,1-1,2 ,da ich bei der Wende einige Meter verliere, aber zur Lagenstabilisierung einen Pullbuoy benutzen darf. Bei Melina sicherlich 1,8-2,0 ,da sie ohne Hilfsmittel schwimmt und ihre Beine einen hohen Widerstand im Wasser darstellen. Aber es geht nicht immer um den Vergleich mit adäquater Umrechung, sondern auch darum zu zeigen, dass man auch als behinderter Schwimmer mit Nichtbehinderten mithalten und ab und an auch besser sein kann. Deswegen ist eine gemeinsame Wertung mit Nichtbehinderten ausdrücklich erwünscht und keine eigene Behindertenwertung notwendig.

 

Im Team sind wir alle gleich und geben alle unser Bestes. Gemeinsam schwimmen, gemeinsam gewinnen.

 

Euer Sven
06. Januar 2016

Quellenangaben :

zur UN Konvention www.inklusion-schule.info/inklusion

zur Multiplen Sklerose www.wikipedia.de und DMSG www.dmsg.de

zum Ehlers-Danlos Syndrom www.eds-selbsthilfe-ev.de

zur Cystische Fibrose (Mukoviszidose)www.muko.info

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